1. Alte Herren wird Meister der Bezirksliga 03

13.08.2021, 18 Uhr. Ellernreihe 88 in Hamburg-Bramfeld. Hier soll es heute also tatsächlich stattfinden. Dieses Gruppenbewegungsding. Nach über einem langen Jahr virusbedingter Abstinenz. Eine gefühlte Ewigkeit. Wie hieß dieses Bewegungsding noch gleich korrekt? Ach ja Fußball. Worum ging es dabei noch? Ich erinnere mich dunkel, denke ich. 22 Idioten streiten sich um einen Ball und einer pfeift ab und zu mal und guckt böse. So war es doch, damals vor Corona, oder? Man ist das alles lange her. Aber worauf kam es an? Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind die abgedroschenen Phrasen von früher. „Das Runde muss ins Eckige“ und „flach spielen, hoch gewinnen“. Ok! Muss reichen für heute. Alles andere findet sich schon.

Hier stehen wir nun also. In Bramfeld. Kurz vor dem Auftakt in die Fußballsaison. Noch etwas ungläubig, ob es heute wirklich wieder losgehen soll. Aber endlich wieder im Kreise der Mannschaft! Wie habe ich die Jungs vermisst. Es dauert nicht lange und wir sind vollzählig. Es geht in die Kabine. Endlich wieder Amateurkabinenluft. Wie habe ich sie vermisst. Wir ziehen uns um, streifen das Trikot über. Erinnern uns noch fix gegenseitig an die genannten Fußballweisheiten. Schwören uns ein diese strikt zu befolgen und dann geht es raus. In Buffern auf’s frische Kunstrasengrün. Wie habe ich es vermisst. Dann wollen wir uns mal ein wenig aufwärmen…

Der feine Herr im kurzärmligen Nadelstreifenanzug pfeift. Das ist wohl der Spielbeginn. Und tatsächlich, es geht los. Freunde, wir spielen wieder Fußball! Und dann geht alles ganz schnell. Der erste Sprint, der erste Zweikampf, der erste Ballkontakt, das erste Tor. WOW! Was für ein geiles Gefühl. Endlich spielen wir wieder Fußball. Ganz egal was hier heute noch passiert, der Tag ist jetzt schon ein Fest und wird sich ganz sicher in die Erinnerung der Beteiligten einbrennen. So zumindest mein Empfinden. Bleibt nur zu hoffen, dass das heute lediglich der Auftakt zu etwas großem ist. Wobei „groß“ in diesem Sinne zu verstehen ist, als eine ganze Saison mit 22 „Pflicht“spielen und ein paar Kürspielen – also Pokal – dazu. Man ist ja genügsam geworden. Eine ganze Saison ohne außerplanmäßige Unterbrechung. Ohne Saisonabbruch. Bitte.

24.02.2022, irgendwo an der ukrainischen Grenze. Wieder so ein Ereignis was die Welt nicht braucht. Wieder so ein Ereignis, was mir vor Augen führt, dass es in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist, einfach Fußball spielen zu können. Was ist bloß los mit der Welt? Mit der Menschheit? Irgendetwas ist da doch arg im Ungleichgewicht.

Am 05.11.2021 sollten auch wir Feindkontakt haben. Der Erzfeind von der Brucknerstraße war bei uns zu Besuch. Die tollkühnen Frevel wollten sich tatsächlich mit uns messen. Mit uns! Der vielleicht besten Altherrenmannschaft Hamburgs. Naja, auf jeden Fall der Liga. So etwas ist doch an Dreistigkeit nicht zu überbieten.

Wir zogen uns schnell unsere Kampfmontur an und gingen raus auf das Schlachtfeld. 70 Minuten ging es mit offenem Visier hin und her. Es war nickelig. Teilweise hart. In wenigen Szenen überhart. Aber alles blieb im Rahmen eines friedlichen Fußballspiels.

Nach dem Spiel gingen wir wie gewohnt ins Uhlenherz, unsere Vereinsgaststätte. Wir wollten unsere trockenen Kehlen ölen und den Sieg über den Erzfeind feiern. Als wir die letzte Stufe erklommen hatten und die Tür zu den heiligen Hallen öffneten, saß dort in riesiger Anzahl – der Feind von der Brucknerstraße.

Na gut, wenn die Jungs schon mal hier sind, kann man auch mit denen reden. Und ein gemeinsames Bierchen sollte auch möglich sein. Wird schon passen.

Ein paar Bier und kurze Zeit später erwuchs in mir der Eindruck, dass die Jungs doch eigentlich ganz gut und entspannt drauf waren. Waren die Feinde von der Brucknerstraße vielleicht gar nicht Feinde, sondern etwa nette Leute? Vielleicht sogar Freunde? Je weiter der Abend voranschritt, desto sicherer wurde ich mir. Das waren doch alles dufte Typen. Und ich schämte mich diese Truppe in die Feindschublade geschoben zu haben. Ich strich dieses Unwort „Feind“ ganz schnell aus meinen Gedanken, verbannte es aus meinem Wortschatz und bestellte eine Runde Schnaps für uns und unsere Freunde von der Brucknerstraße. Die die Freundlichkeit hatten uns zu besuchen, mit uns gemeinsam Fußball zu spielen, und uns drei tolle Halbzeiten zu schenken. Abseits von Corona, Krieg oder sonstigen Unzulänglichkeiten in der Welt da draußen.

(Grüße gehen raus an unsere FREUNDE von der Brucknerstraße)

Nachdem ich diese tiefgreifende Erkenntnis gewonnen habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Sie, Herr Putin, zu unserem nächsten Heimspiel einladen. Kommen Sie mit Ihrem ukrainischen Amtskollegen zu uns an die Beethovenstraße. Schauen Sie sich 70 packende Minuten voller Emotionen und Kampf an. Gehen Sie anschließend zusammen mit Herrn Selenskyj in unser Uhlenherz, trinken ein paar gemeinsame Bierchen (die gehen auf die Mannschaftskasse) und sprechen Sie miteinander!

Vielleicht werden auch Sie zu der Erkenntnis gelangen, dass der andere, der Fremde gar nicht so blöd ist. Vielleicht werden Sie erkennen, dass ausschließlich auf dem Fußballplatz geschossen werden sollte. Dass es viel schöner ist, GEMEINSAM Fußball zu spielen, als gegeneinander zu kämpfen. Vielleicht werden Sie als Feinde kommen und als FREUNDE gehen!

Das wünsche ich mir. Und der Welt.

07.05.2022, 17 Uhr. Beethovenstraße. Heimplatz. Die Fußballsaison liegt hinter uns. Tatsächlich ohne einen erneuten Abbruch, wie in der Saison zuvor. Wir haben nun also unsere erste komplette Saison bei den alten Herren des Hamburger Fußballverbandes hinter uns gebracht. Und was für eine Saison das war! Jeder Spieltag war ein Festtag.

Zum einen, weil es uns einfach möglich war dem zu frönen, was wir alle so sehr lieben. Zum anderen, weil wir die allermeisten der Spiele mit einem für uns positiven Ergebnis beenden konnten. Wir hatten es bereits angedeutet S-S-S-S-U-S-S-S…usw.

Es gab Tiefen in dieser Saison. Als Beispiele seien dort die angesetzten Spiele gegen Vatan Gücü, Meiendorfer SV und FC Hamburg genannt, bei denen der Gegner aber leider das Duell mit uns verweigert hat (oder lag es wirklich an einer durch Corona bedingten Ausdünnung der Personaldecke?).

Und es gab Höhen. Wie z.B. unser Pokalfight in der ersten Runde auswärts gegen den Farmsener TV. Seinerzeit Tabellenführer der Landesliga und mittlerweile in die Oberliga aufgestiegen. Denen wir mit einem 1:4 Sieg zeigen durften, dass auch an der Beethovenstraße guter Fußball gespielt wird.

Des Weiteren wäre da z.B. das eben bereits erwähnte Derby gegen Paloma.

Oder aber ein Höhepunkt wie das Rückrundenspiel gegen den SC Condor. Erster gegen Zweiter. Heimspiel. Freitagabend. Flutlicht. Wir können und wollen vorzeitig Staffelmeister werden. Condor will dies verhindern. Die Luft knistert vor Spannung. Anpfiff. Die Grasnarbe brennt. 70 Minuten alles raushauen. Wir bleiben Herr im eigenen Haus und können mit einem 3:0-Sieg die vorzeitige Meisterschaft eintüten. Ein geiles Spiel. Ein tolles Gefühl. Für genau solche Spiele spielt man Fußball.

Jetzt stehe ich hier wieder im Kreise der Mannschaft. Der erweiterten Mannschaft. Denn viele ehemalige Mitstreiter und einige Edelfans haben ebenfalls den Weg zu unserem Heimplatz gefunden. Stark! Es soll der krönende Abschluss einer tollen Fußallsaison werden. Das Bier fließt bereits in rauen Mengen. Gerade fährt unser Meisterfeiercabriodoppeldeckerbus vor. Ich stelle jetzt mal lieber schnell das Schreiben ein und helfe stattdessen die Bierkästen unter den Sitzbänken zu verstauen. Der Abend wird bestimmt legendär. Genau wie unsere Saison.

Also, macht es gut Sportsfreunde, genießt die Sommerpause und denkt immer daran: nichts auf dieser Welt ist selbstverständlich!

Gruß
Ein Pirat von UH